Wenn Meister Goethe bemerkt, dass ihn „das heutige Sizilien an Asien und Afrika [erinnert], und auf dem sizilianischen Boden befinde ich mich erst eigentlich in Italien“, dann sollte man 1) skeptisch sein und es 2) prüfen — auch oder gerade wenn die eigene Seele der Bilder Asiens und Afrikas mangelt, denn Goethe dürfte es nicht anders gegangen sein — insofern Gleichstand.
Wir beginnen unsere Erkundung im Basalt am Fuße des Ätna und in einem Flußbett, bei dem unklar bleibt, ob es zu anderen Zeiten Wasser oder ganzjährig Müll führt (wahrscheinlich beides). Perfekte Splittercracks — was will man mehr? Sollte man meinen. Tatsächlich könnte man viel mehr wollen bzw. tun wir dies auch und lassen diesen unseligen ersten Ort rasch hinter uns. Doch nicht ganz so rasch wie erwartet, hängt an unserer Windschutzscheibe doch eine handgeschrieben Notiz von Anwohner Peter, dessen Haus nach einem schweren Sturm von einem beachtlichen angebrochenen Ast bedroht wird und der uns nach Unterstützung im Bereich der Baumpflege in größeren Höhen anfragt. Wir helfen gerne, Arbeitsschutz gilt hier nämlich ebenso wenig wie Rechnungen und Steuerabführung, weshalb wir unseren Arbeitslohn in Form von hausgemachtem Olivenöl und einem Sack eigener Zitrusfrüchte nach Landessitte annehmen, keine Fragen stellen und von nichts etwas gewusst haben (was uns wiederum leicht fällt, da wir Deutsche sind (kleiner Scherz)).
Das alte Catania, so lernen wir, wurde 1669 durch einen verheerenden Ätna-Ausbruch zerstört und anschließend in opulentem und erstaunlich einheitlichem Barockstil wieder aufgebaut. Großflächige Planarchitektur ganzer Städte, naja, wir modernen Menschen hadern aus Gründen mit diesem Konzept; im 17. Jahrhundert scheint es allerdings zumindest im Bereich der Sakralbauwerke funktioniert zu haben: An eine Prachtkirche schließt die nächste, auf Palazzo folgt Palazzo.
Im Kernland durchfahren wir end- und waldlose Hügel in erstaun- und -freulich frischem Grün. Sanft und freundlich schwingt sich die Landschaft in guter Laune dahin, ganz so, als ob sie wüsste, wo sie sich befände.
Bunt und lebendig geht es im sizilianischen Frühling auch in den Wänden zu: Zwischen Palme, Kaktus und Blümlis geht es vertikal dahin, dass es die reinste Freude ist. Über Caltavuturo sonnt sich die 250m hohe Südwand des Rocca di Sciara. Der Fels ist hier wie ein gutes Steak, nämlich medium-rare: qualitativ ziemlich medium, dafür zwischen all der Vegetation auch reichlich rare. Qualitätsmerkmale für alle, die drauf stehen und haben wir Glück, dass wir es tun und uns nicht um das hervorragende Erlebnis eines echten Alpintages auf einer Breite von 37° Nord gebracht zu haben. Während man die erste Kaktussicherung noch mit einiger Skepsis anbringt, steigt das Vertrauen in die darauf folgenden exponentiell an, da Wiederholungen einer Tätigkeit ja bekanntlich das Zutrauen stärken (allerdings auch bloß dieses, faktisch hält das alles natürlich wenig bis nix (doch erinnern wir uns Trad-Weisheit #16: „Muss nix halten, muss nur da sein“)).
Da es uns nach all den kleinen Abenteuern in kurzem Abstand nun aber doch mal nach Klettern steht, reisen wir weiter, gen Nordwesten, an das felsige Kap von San Vito.













