Für mich sind die Kletterhotspots Europas ein grundlegendes Problem, dessen Spannung ich noch nicht auflösen konnte: Einerseits bin ich als Alleinreisender auf Orte angewiesen, an denen sich die Vielen treffen. Gebiete von Ruf — wie Siurana, Chulilla, Ulassai oder eben Leonidio — ziehen auch eine große Zahl von Solokletternden an, die auf die flexible Verfügbarkeit von Partnermaterial setzen können. Auch sachliche Notwendigkeit bestimmt die Reiseroute. Andererseits fühle ich mich an keinem Ort einsamer, als nach Sonnenuntergang auf einem der großen Kletterparkplätze; umgeben von 50 anderen Bussen, die wahrscheinlich Menschen enthalten, aber so ganz genau weiß man es nicht. Im Winter ist es um 17:30 Uhr dunkel; man geht bis dahin klettern und verkrümelt sich anschließend — ist ja auch frisch draußen. Da sitzt man dann, für sich und doch abstrakt unter den Menschen, eine grundsätzliche existenzielle Situation, die jeder kennt und die hier Ausdruck findet.
Und rafft man sich dann morgens doch zur anlasslosen Kontaktaufnahme auf, ist gar nicht genau klar, wohin man die mit aller Mühe mobilisierte Kraft eigentlich wenden soll: Viele sind als Paare da, denen möchte man sich nicht aufdrängen, ein Dreiergespann geht zu sehr auf die Kosten der machbaren Klettermeter. Die Einzelnen, gar nicht immer leicht auszumachen. Und selbst wenn: Sind sie es, die man gesucht hat? Ich kenne mein Verhalten in diesen Situationen und weiß, wie ich mit ihnen umgehen kann: Mit etwas Geduld, etwas Engagement und etwas Glück. Wem die Hypersozialität nicht liegt, der braucht von all dem etwas.
Was mir an diesen Orten häufig am schmerzhaftesten fehlt, ist echte Begegnung. In diesen Städten, den Van-Cities der Welt, kennt man schnell jeden und gleichzeitig niemanden. Man kann sehr lange ohne jede Nähe zusammen in ein Seil eingebunden sein. Und doch passiert es immer wieder, dass man diese eine Person, diese eine kleine Gruppe trifft und zwei Puzzleteile nahtlos beieinander einrasten. Was daraus entsteht, ist der Grund, warum ich mir das immer wieder antue. Warum ich mich immer wieder in diese Blechstädte krampfe. Weil dieses Miteinander intensivste Zeiten in absoluter Gegenwärtigkeit erzeugt. Gestern und Morgen, alles egal, wir sind hier und jetzt und vor allem beieinander und miteinander. Das Klettern wird zum bloßen Medium und Kulisse für Freundschaften auf Zeit. Dass diese nämlich endet, ist allen transparent. Und erleichtert so das Fallenlassen in die Geborgenheit reiner Gegenwart.
Für einen dieser besonderen Glücksfälle sind Niki und Marlene verantwortlich. Diese restlos außergewöhnliche Zeit danke ich euch von Herzen, in dem ich sie tief und lange verwahre.








