Während die Flora des Kernlands und der Nordküste Kretas, von Schatten und höherem Niederschlag profitierend, erstaunlich üppig und frisch ausfällt, ist die Südküste vor allem eins: karg. Eine unbarmherzige Sonne entzieht dem Boden auch jene letzte Feuchte, die noch nicht durch Karst abgelaufen ist. Abseits einiger touristischer Hotspots, wie dem ehemaligen Hippiehotspot Matala oder der mit einem Teppich aus Olivenhainen bedeckten Messara-Ebene, fällt die Insel hier braun, steinig und lautlos hinab ins Meer. Ohne ein großes Aufsehen zu erregen endet hier die Landschaft und man fühlt sich, unten an der Küste, als hätte man ihre Rückseite erreicht.
 
Eine dieser rückseitigen Landschaften ist der Asterousia-Gebirgszug, der die Messara-Ebene gegen das Meer abgrenzt. Wollte man z.B. zum kleinen Fischerort Agios Ioannis, so muss man einmal von Norden die Serpentinen bis auf 850m erklimmen, um diese auf der Südseite wieder zum Ort hinunterzurollen. Agios Ionnis schließlich ist eine Sackgasse. Hier geht es nicht weiter. Nur zurück. Eine Landschaft, die endet.
 
Ich habe das Glück Julie & Lenni kennengelernt zu haben, die einzigen Kletternden, die mir auf Kreta begegnen sollten. Sie haben Lust auf ein Abenteuer, hörten von der 200m abbrechenden Südseite des Kofinás, der höchsten Erhebung des Asterousia. Sie haben sogar ein Foto mit einer windig eingezeichneten Linie darauf, die mit „Topo“ überschrieben ist. Wir finden noch den Namen „Pilgerweg“ und den Grad „5b“, das war’s dann mit den Informationen. Was folgt, ist ein herrlich freier Tag im freien Gelände; wir finden sogar ganze fünf Schlaghaken. Wie viele Seilschaften hier wohl im Jahr unterwegs sind? Viele können es nicht sein, dafür klemmt dann doch zu reichlich veränderungsfreudiges Gestein in der Route. Sonstige Begehungsspuren (geschweige denn einen Einstieg) gibt es hier nicht.
 
Belohnt werden wir mit einem majestätischen Sonnenuntergang in 1200m gerader Linie über dem Meer. Und einem Gipfel, der den Ausgrabungen nach seit 4000 Jahren als Heiligtum verehrt wird. Verständlich.
 
Herzlichen Dank Julie & Lenni. Das war ein sehr besonderes Abenteuer.

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