Eine kleine Unachtsamkeit, eine etwas zu gewagte Forschheit bremst den haltlosen Auftrieb der letzten Monate in die 2,40m Deckenhöhe einer kleinen möblierten Wohnung im Freiburger Westen, ein Zimmer, Küche, Bad, ein Balkon mit zwei Monobloc-Plastikstühlen. Einer „Maisonneuve-Fraktur“ — also ein ausgerissenes Volkmann-Dreieck am Schienbein, eine gerissene Syndesmose und ein gebrochenes Wadenbein — folgt eine Operation, eine sechswöchige Ruhigstellung und schließlich eine insgesamt dreimonatige Kletterpause.
Es beginnt ein Zwischenkapitel mit täglich gleicher Aussicht und Wasserspülung. Nicht Klettern zu können ist eine Sache. Auf die war ich sowieso schon subtil vorbereitet — irgendwann muss ja auch rein statistisch mal eine Zwangspause kommen. Auf die Immobilität hingegen nicht. Wohnen ist etwas, dass ich bislang noch nicht gelernt habe. Rilke schrieb angeblich mal in einem Brief den tollen Satz „Ich kann nicht wohnen“, das fand ich immer toll.
Einen heiteren Aufenthalt im Krankenhaus und ein ausführliches Rezept über solide Schmerzmittel später findet sich der Protagonist dieses Kanals also am Schreibtisch ein und kramt in den Papierstapeln nach den Notizen, die erst für das Winterhalbjahr gedacht waren.
(Überhaupt Notizen: Diese Sammelwut von allem, was einem nur irgendwie textlich begegnet (man denke an die Zettelkästen Niklas Luhmanns oder Arno Schmidts) könnte noch Weltkulturerbe werden. Aber immerhin kann man so auf ein wasserdichtes Gedächtnis verzichten, welches ja doch immer nur bewahrt, was eigentlich weg kann.)
Zwischen all diese Notizen zur Geschichte des Schnellkletterns, zu einem Film über eine Freundschaft auf der Mittelmeerinsel Sardinien, zur Frage nach dem möglichen Sportcharakter des Bergsteigens, zur Biographie Walter Pauses, zu endlosen Erzählungsfragmenten über Protagonisten „Schmidt“ und seine Erlebnisse, zwischen all diese Notizen also stellt der Protagonist seinen Plastikstuhl und sortiert erst einmal. Das wird dann etwas dauern und schwupps ist auch schon die längste Zeit der Pause vorbei.
Maxime dieser Tage: Nur nicht zu viel drüber nachdenken und einfach weitermachen. Alles andere macht ja nur unglücklich.

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