Gastlosen — Nikita

Für all jene von uns, die sich vor allem dem M in BDSM und insbesondere zum Kink von Rasierklingen auf Fingerkuppen hingezogen fühlen, für die ist jene berühmte Schlucht in der Haute Provence natürlich ein inneres Andreaskreuz (im positivsten Sinne). Reicht ein Wochenende jedoch nicht für den langen Pilgerweg in den Süden, so können entsprechende Bedürfnisse auch weniger weit entfernt, nämlich zum Beispiel in den alpenvorländischen Kalkzähnen der Gastlosen gefunden werden: Der Schmerzen werden es zweifellos vielerlei sein, vor allem für jene, die auch auf südfranzösische Temperaturen nicht verzichten wollen.
Mr Nils Ohlendorf und ich haben bereits einige blutige Schlachten zusammen geschlagen, jedoch noch keine am geteilten Seile. Mal was anderes sollte es sein, nicht immer nur Granit in der Zentralschweiz, nein, es werde Kalk. Aber bitte nicht so weit weg. Dafür aber lang. ‘
Okay: „Nikita“ (7b, 380m). Eine der berühmtesten Touren der Gastlosen, musste man also nix diskutieren, schön, schön einfach. Also schwer. Ziemlich schwer.
Ein Band trennt die Tour in zwei Teile, bei Klettertouren naturgemäß in einen ‚unteren‘ und ein ‚oberen‘. Unten geht es noch recht locker daher, Plattenkletterei im Bereich 6b/c, ein wenig durch die Vegetation, abseits zweier kurzer Stellen nicht wirklich schwierig, aber heiter und immer gut gesichert. Richtiges Wandfeeling möchte hier nicht aufkommen, dafür schwellen die Füße schon ein wenig an und das Schmerzlevel steigt wie gewünscht angenehm an. Zumindest für jene, die’s mögen: „Ist bei Genuss immer so“ (Christoph Klein). Auf der oben und unten trennenden „Großen Schnur“ bieten einige Bäume Schatten und kurze Erholung für das kommende Märtyrium Dante’schen Ausmaß’.
Mit aller Physis muss anschließend eine Piazschuppe im Bereich 7a+ angestiegen werden, eine Plattenstelle gleichen Grades folgt auf den schuhsprengenden Fuße. Und dann allez: ein aufsteilender Schild mit jenen Rasierklingen der Gouttes d’Eau, die so sehr an Verdon erinnern. Athletisch und das siedende Hirn beanspruchend fordert eine komplizierte Griff- und Trittfolge ins Haltlose, denn, so rau der Kalk hier auch sein mag, so richtig halten wollen Füße und Hände dann doch nicht. Zum Stand nochmals wild, puh, aber irgendwie geht es wohl. Ob die angegebene 6b obligat hier jedoch möglich ist, nein, da sind wir uns unsicher.
War das jetzt frei? Oder doch ungehemmt A0? Irgendwas dazwischen wird es gewesen sein. Genauso wie irgendwo gradtechnisch zwischen 7b und c. Aber was soll’s, „wir müssen da rauf“ (Peter Brunnert), nämlich noch ein paar Längen mehr.
Es war ein zweifellos heiteres Abenteuer, das uns hier beschäftigt hielt. Wir versuchen uns tagsdrauf noch an einer kürzeren Tour, die das Prädikat „verdonesque“ noch weit mehr verdient, aber unsere Schmerzausdauer ist bedient, wir sind befriedigt.
Merci vielmal für ein tolles Wochenende mit fantastischen Bildern. Es wird wohl kaum die letzte gemeinsame Reise in den BDSM Keller gewesen sein ❤

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