Wenn sich Historiker Wagner und Generaldilettant Ott gemeinsam ans Seil binden bedeutet dies, dass es 1) unter der Fahne des Deutschpunk geschieht und sich 2) die Zitierungsfreude frei ausleben kann, da sich das kulturelle Gedächtnis der beiden erstaunlich deckt. „Asozial und unrasiert“ geht es also in das schönste Riff der Welt. Noch ist sie es nicht, „die Unterhose kotverschmiert“, dafür jedoch sind es die Einstiege, die Stände, ein jeder versteckter Ort hinter einem Busch. Doch „wo es stinkt ist mein Revier“, insofern nehmen unsere „Punkrockkavalier[e]“ die Umgebung dankend an und machen es sich heimelig.
Ob der ordentlichen nächtlichen Regengüsse schlappen wir etwas widerwillig zum Einstieg der Ciavazes Südwände, aber mei, bei 10 Minuten Zustieg kann man ja zumindest mal schauen und weil es so schön aus allen Löchern trieft auch einfach einsteigen. Ab Seillänge zwei regnet, ab der dritten schüttet es, was aber irgendwie egal ist, da die Griffe und Tritte der Kleinen Micheluzzi Führe nicht nur „stellenweise feucht, stellenweise nass“, sondern auch verschwenderisch groß sind.
Der Nürnberger Teil unserer Seilschaft weiß über die Fünffingerspitze zu berichten, dass dort oben wohl die Zigaretten besonders gut schmecken sollen; so zumindest berichten es 1926 die Gebrüder Gottfried, ebenfalls Söhne seiner Stadt. Zur Überprüfung entschließen der passionierte Raucher Wagner und ich der Sache auf den Grund zu steigen und tun dies über die herrlich exponierte Daumenkante und schließlich die Nordseite auf den mittleren jener fünf Finger, eine Traumtour im vierten Grad. Und wahrlich: „Der dachartig abgeschrägte Gipfelaufbau ist erreicht […], die wohlverdiente Rast wird in behaglicher Ruhe genossen. […] Der spärliche Proviant erhält seinen Platz im Magen zugewiesen und die Gipfelzigaretten dampfen hinterher nicht schlecht.“ Einen kurzen Schnack mit dem am Berg arbeitenden Ivo Rabanser später geht es den großen Manus wieder herunter zum „Bier“, schließlich „trinkt [man] es zum Deutschpunk.“ Diesen und jenes genießen wir beim Blick in die Natur, die wir im Einverständnis als interessante, uns aber stets auch etwas fremd bleibende Formvariante der Umgebung begutachten.
Da wir unserem üblichen Thema der historischen Kamine noch nicht näher kamen, fällt die nächsttägige Wahl auf Angelo Dibonas Spätwerk am Großen Falzaregoturm. Vielleicht kein echter Kamin, eher ein solider Off-Width, denn wir haben ja gelernt: „Enge Kamine mit Breite <1m werden in Diagonalstemme überwunden“, wohingegen „schmalere Felsspalten bis 0,4m als Risse, nicht als Kamine bezeichnet werden.“ Wir haben nicht nachgemessen. Aber schee wars scho.
Zu kurzer Letzt kletterten wir eine der moderneren Routen am Hexenstein, die wir so doof fanden, dass sie hier nicht erwähnt werden soll. Einzig die Blumenpracht treibt spektakuläres und steht in anregendem Widerspruch zu Schützengräben und Stacheldraht.
Während die Textproduktionsseilschaft Wagner/Ott das Jahr über vor allem in digitalem Austausch an neuerlichen Narrativen über die Alpingeschichte arbeitet und der praktische Nachvollzug häufig hinter den theoretischen zurücktritt, sind es doch die großen gemeinsamen Momente, wenn die Idee zumindest einmal im Jahr zu sich selbst kommt — und das kann beim Klettern nur heißen: wenn sie praktisch wird. Wenn ich daran denke, wie dieses Team sich einst gefunden hat — die Wagnerschen Zigaretten und das Ottsche Bier —, dann ist es im Leben alldieweil doch so, wie Claus Lüer es schon immer sagt:
„Bier,
das klingt jetzt unfassbar,
öffnet eine Tür,
die vorher noch zu war.“














