Lassen wir Walter Pause selbst sprechen:
„Es gibt in den Alpen viele schwerste, längste, gefährlichste und höchste Wände — die Qual der Wahl war immer schon ein echter Genuss unserer alpinen Leidenschaft. Dass der Riesenstock der Tofana di Rozes über der Falzaregopassstraße unser aller Beifall als farbenfroheste Dolomitenwand findet, ist gewiss. Man muss nur einmal gegenüber zwischen den Cinque Torri auf dem Bauch gelegen und hinübergeschaut haben auf die Tofana. Eine Wand? Das ist große Architektur aus den Urzeiten, bis auf den Kern abgeschliffen und abgetragen und nun in allen Tönen von Rot, Grau und scharfem Gelb schwelgend.“
Was mich am alten Walter Pause am meisten begeistert, sind seine Texte. Der Humanist und Menschenfreund, der hervorragende Netzwerker, vor allem aber: der große Romantiker. Was bei den kletternden Autoren der 20er/30er Jahre mitschwingt, wird bei Pause Programm: dem Erlebnis Berg mithilfe der sprachlichen Mittel der Romantik Ausdruck verleihen. Daher ist es eigentlich unbedingt notwendig, in der ersten oder zweiten Ausgabe des „Extremen Felses“ zu lesen. Hat man dazu keinen Zugang, tun es aber auch alle anderen Bände: „Im schweren/leichten Fels“, „Wandern bergab“, „Lebenslänglich Alpin“, „Mit glücklichen Augen“. Christoph Klein und Panico ist unbedingt zu danken, dass sie den Band wieder verfügbar gemacht haben, jedoch ist es nicht (nur) die Auswahl der Touren, die das Buch zur Legende machen, sondern vor allem auch Pauses Begeisterung in seinen Worten. Anhand des „Leichten“ und „Schweren Felses“ bzw. „Wandern bergab“ sieht man hervorragend, dass es nicht auf die Tour ankommt, wenn man Pause durch die Alpen begleitet, sondern, dass eine einfache Tour von ihm so beschrieben wird, dass man beim Lesen alles stehen und liegen lassen möchte, nur, um direkt dorthin zu gehen und den Ort mit eigenen Sinnen zu begreifen.
Wir klettern die klassischen Südostrisse des 2. Pfeilers der Tofana di Rozes, bzw. die „Constantini-Apollonio“ (7+ bzw. 6+ A0) — und es ist der größte Genuss. Die Kletterei ist durchweg erstaunlich hervorragend, auch wenn die Dächer ruppig (aber A0 gut lösbar bzw. durch Cams gut absicherbar) sind. Hier stecken mittlerweile auch vier Bohrhaken. Die steile Zwischenlänge ist ein Highlight für sich und selbst die letzten Kamine sind spannend bis zum Schluss. Auch der gefürchtete überhängende Risskamin des „Maultierrückens“ ist nicht ganz so gruselig wie man meint; zumindest, solange der ausdauernde Holzkeil die Sache noch mitmacht. Auf dem darunter ziehenden Biwakband findet sich das vielleicht größte Wunder der Tour: Ein stattlicher Busch nährt sich seit Ewigkeiten von allem hier herunterfließenden Wasser (bzw. leider auch den Überresten magengequälter Kletterer).
Es ist eine dieser klassischen Touren, die man sofort nochmals klettern würde — ganz gleich ob mit ausdauernden Freikletterambitionen, die am zweiten Dach auf die Probe gestellt werden, oder direkt mit Fixpunktunterstützung und dafür im besten Flow.
Die zentrale Tour des zweiten Pfeilers ist ein Meisterwerk und zurecht legendär.







