Wir wissen bis zum späten Abend nicht, welche Tour wir nun eigentlich klettern sollen. Die eine, die uns mehrfach als eine der schönsten Kletterreien der Ostalpen angepriesen wird, oder jene andere, die in diesem einen berühmten Buch drin steht. Wir entscheiden uns für die Lobpreisungen, da wir ohnehin wissen, dass wir zurückkommen werden: „Die Frage ist nicht, welche der beiden man klettert, sondern nur, in welcher Reihenfolge“ (Peter).
Der Crozzon di Brenta. Jene maßstabsprenge 800 Meter hohe Bastion, die über die (leider nicht mehr ganz so imposante) Eisrinne dramatisch zur Cima Tosa begrenzt wird. Eine nicht zu vergessende Ansicht, die uns schon als Jugendliche beim Blättern in den alten Pause-Büchern immer wieder gebannt hat. Im linken Wandbereich ziehen zwei markante Wasserstreifen naturgemäß lotrecht ihrer Wege, im rechten der beiden verläuft die „Via delle Guide“ (VI-, 800m, von Bruno Detassis 1935). Hervorragenden Fels von unten bis oben sollen wir hier finden, gute Absicherbarkeit, moderate aber anhaltende Schwierigkeiten, aufeinanderfolgende Bierhenkel en masse. Und all das finden wir auch.
Wo gibt es das denn bitte? Einen solch hervorragenden Felsen über diese enorme Wandhöhe? Wo sonst immer mal wieder einige Schrofen oder Trash-Längen zu klettern sind, geht es hier Seillänge für Seillänge wieder über beste Kletterstellen. Sogar die Sonne begleitet uns in der Nordostwand und das schmale Fundament des Campanile Basso (bzw. der Guglia di Brenta) steht uns lockend im Rücken.
Wir schließen uns den Hymnen von Ivo und Topoguide an und danken Herrn Detassis für die Freuden. Einzig, hinunter vom Crozzon ist es nicht ganz so kommod, wie man sich das wünscht: Man wähle eine heikle Traverse zur Cima Tosa oder eine stellenweise nicht minder heikle 600m Abseilpiste durch die Westwand.
Wie immer: Das größte Glück ist es, in diesem Team unterwegs sein zu dürfen. Stefan, danke für alles! Für das tolle Miteinander, für die unglaubliche gemeinsame Effizienz, für das tiefe Vertrauen, für die ideale Seilschaft und das viele Bier. Es ist immer wieder aufs Neue etwas sehr Besonderes.