Aus einer eingeschränkten Situation den maximalen Wahnsinn rausholen: Willkommen beim Projekt „Deutschland im Sitzen“!
Fünf Tage Regionalbahn, von ganz im Süden (Freiburg) nach ganz im Norden (Husum).
Ein letztlich überraschend glücklicher Beinbruch zwingt den Protagonisten dieser Geschichte für zwei Monate in die engen vier Wände eines möblierten Freiburger Appartments. Frische Luft und tägliche wechselnde Ausblicke gewohnt, wird die Zeit dort zäh und Zumutung. Doch wie Reisen, unter der Bedingung des Sitzens? Genau, mit dem „49€-Ticket“, aka „9€-Ticket“ bzw. „Deutschlandticket“ bzw. dem Ticket Richtung Sehnsucht.
So mache ich mich auf den Weg um den Alltag der deutschen Menschen zu besuchen. Denn: Wer ICE fährt, ist auf der Reise. Beruflich oder privat, meist aber irgendwie außeralltäglich. Die Regionalbahn gehört für die Menschen der jeweiligen Region zu ihrem alltäglichen Leben. Sie ist Teil des Wegs zur Arbeit, zum Einkaufen, zum und zur Liebsten. Und es ist erstaunlich, wie unterschiedlich sich diese Alltage anfühlen können. Die immerarbeitenden badischen Menschen, die immermüden Pendler:innen des Rhein-Main-Gebiets, der Tourismus gen Hamburg und die Sylt-Deutschen, die diesen 3. Oktober für Dinge nutzen, die ich nicht verstehe.
Ganz nüchtern geht es bei dieser Sache freilich nicht zu, doch der Notizblock als Gedächtnisersatz ist stets zur Hand. Kurze Nächte, lange Fahrten, offene Ohren und große Leutseligkeit bringen Geschichten hervor, die ich nur ungern verpasst hätte. Hier und da auch Landschaften: teilweise sogar faszinierend. (In Beziehung treten kann man mit diesen freilich nicht. Das Fenster ist vielmehr Fernseher, in dem den ganzen Tag Deutschland läuft. Bilder, die man theoretisch auch irgendwie erreichen könnte, aber wie geht man eigentlich in ein Bild hinein?)
Dieses Deutschland: Es hügelt, es flacht, es weitet und engt. Zwei parallele Schienen Sehnsucht und die Richtung ist vorwärts. „Wie bekomme ich dieses Land in meinen Mund?“, fragt Rainald Grebe und ich weiß es zwar auch nicht, aber die Hauptsache ist, es schmeckt.
Nordsee, Ostsee, Besuch bei Thomas Mann und Willy Brandt in Lübeck, bei Maschmeyer und Schröder in Hannover, ein Besuch der alten Republik.
Man glaubt es nicht, aber diese fünf Tage waren vielleicht eines der schönsten Abenteuer der letzten Jahre.








